Vor wenigen Wochen überraschte Google die Werbewelt mit seiner Ankündigung, die Arbeit an seiner “Federated Learning of Cohorts”-Technologie, kurz FLoC, einzustellen und stattdessen von nun an auf “Topics API” setzen zu wollen.
Mit Topics, wie auch zuvor mit FLoC, versucht sich Google an der Entwicklung einer Alternative für den Third-Party-Cookie. Diesen möchte auch Google in absehbarer Zukunft aus seinem Chrome-Browser verbannen, um hier mit seinen Konkurrenten Apple (Safari) und Mozilla (Firefox) gleichzuziehen. Zuweilen wird über Topics gesprochen, als sei es lediglich ein Abklatsch des alten FLoC mit minimalen Veränderungen – gewissermaßen alter Wein in neuen Schläuchen. Aber werden diese Vergleiche dem neuen System gerecht?
In diesem Artikel wollen wir die Funktionsweise und die Gründe für das Scheitern von FLoC darlegen und anschließend das neue Topics API genauer in den Blick nehmen. Wie funktioniert es? Wie unterscheidet es sich von FLoC? Und wie sieht die Zukunft von Topics aus?
Das „Federated Learning of Cohorts“ war der erste Versuch einer Alternative zum Third-Party-Cookie, den Google bis 2023 aus seinem Browser Chrome verbannen will. FLoC wurde erstmals im Jahr 2019 als eine datenschutzfreundliche Technologie zur Umsetzung von interessenbasierter Werbung von Google angekündigt. Im März 2021 wurden erste Tests mit Chrome-Nutzer*innen gestartet. Nun, Ende Januar 2022, stellte Google die Entwicklung von FLoC offiziell ein. Um die Kritik an FLoC und die Gründe für dessen Einstellung nachvollziehen und die Unterschiede zum neuen “Topics” verstehen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Funktionsweise des von Google ausrangierten Systems.
In Googles web.dev-Blog wird sehr ausführlich dargelegt, wie FLoC funktioniert. Die Grundidee hinter FLoC ist die Zuordnung des Browserverlaufs eines Internetnutzers oder Nutzerin zu einer Kohorte von Verläufen, die sich ähnlich sind. Diese Zuordnung erfolgt innerhalb des Browsers auf dem Endgerät der jeweiligen Nutzer*innen. Hierzu wertet der Browser den Seitenverlauf aus, prüft in welche Kohorten dieser am besten passt und vergibt eine entsprechende Kennung, die sog. FLoC-ID.
Diese Berechnung sollte wöchentlich neu erfolgen. Hierdurch könnten Nutzer:innen auch von einer Kohorte in eine andere wandern, sollte sich beispielsweise ihr Surfverhalten im Laufe der Zeit ändern. Einer Untersuchung der Electronic Frontier Foundation, einer NGO für Grundrechte im Informationszeitalter, zufolge, wären mit FLoC über 33.000 verschiedene Kohorten möglich.
Auf ihren Seiten können dann sowohl Werbetreibende als auch Werbeanbieter die Verhaltensweisen verschiedener Kohorten anhand der FLoC-IDs beobachten und analysieren. Entsprechende Adtech-Plattformen bringen nun Werbetreibenden und Werbeanbieter zusammen: Werbetreibende können gezielt auf für sie attraktive Kohorten targeten und Anzeigen über die Seiten der Werbeanbieter an entsprechende Nutzer*innen ausspielen lassen.
Das Ende des Liedes ist bekannt. Google gab Ende Januar 2022 bekannt, die Entwicklung von FLoC einzustellen und stattdessen ganz auf Topics zu setzen.
Mit dem Aus von FLoC kündigte Google an, sich nun auf „Topics API“ als neue Tracking-Alternative für die Post-Cookie-Ära zu konzentrieren. Topics sind Themen, an denen Nutzer*innen basierend auf ihrer Browser-Historie interessiert sind oder sein könnten. Eine auf github verfügbare Datei zeigt die erste Version einer Topics-Taxonomie mit 349 Einträgen – darunter beispielsweise Topics wie „Rap & Hip-Hop“, „Fishing“, „Weather“ oder „Low Cost & Last Minute Travel“. Aber Moment: „Basierend auf der Browser-Historie“? Das kommt uns von FLoC verdächtig bekannt vor. Ist Topics nur neues Naming für ein bekanntes Vorgehen?
Im zugehörigen Blogpost und auf Github liefert Google umfangreiche Erklärungen zu ihrem neuen Ansatz für eine cookielose Werbewelt. Mehr Transparenz und Kontrolle lautet das Versprechen. Ob Google das halten kann? Zum besseren Verständnis von Topics sehen wir uns im Folgenden zunächst die Funktionsweise im Detail an:
Der Rest wäre voraussichtlich “business as usual”: Über Supply-Side-Plattforms und Demand-Side-Plattforms werden Anbieter und Nachfrager zusammengebracht und Werbeanzeigen im Auktionsverfahren an den Höchstbietenden verkauft.
Es wird schnell klar: Obwohl FLoC und Topics beide auf den Browserverläufen der Nutzer*innen aufbauen, funktionieren beide Systeme doch recht unterschiedlich. Während bei FLoC Personen gewissermaßen in eine nummerierte Schublade (Kohorte) sortiert werden, können sich bei Topics Werbeanbieter ein begrenztes Set an Informationen zu den User-Interessen einholen. Doch löst das alle Probleme und offenen Fragen, die sich mit FLoC gestellt haben?
Für Datenschutzaktivist*innen und -organisationen dürfte es tatsächlich einen Fortschritt darstellen, dass Nutzer*innen in Topics Einfluss auf das von ihnen vermittelte Bild nehmen können, beispielsweise durch das gezielte Löschen von einzelnen Topics oder durch ein komplettes Opt-Out aus dem Verfahren. Außerdem wird es durch Topics schwieriger werden, auf vulnerable Gruppen zu targeten oder Targeting für missbräuchliche (politische) Zwecke zu nutzen.
Trotz alledem wird Topics ein derartiges Targeting vermutlich nicht komplett verhindern können. Die konkreten Möglichkeiten hierfür werden von der weiteren Entwicklung der Taxonomie abhängen. Jedoch dürften mit dem heutigen Entwicklungsstand beispielsweise Kinder durch ein kombiniertes Targeting auf Topics wie „Children’s Literature“ und „Animated Films“ überproportional gut erreichbar sein. Auch ein Targeting zu politischen Zwecken wäre weiterhin denkbar. Mit einer Kombination der Topics „Hunting and Shooting“, „Country Music“ und „News/Politics“ dürften in Amerika vermutlich überproportional viele Republikaner*innen im Vergleich zu Demokrat*innen erreicht werden können.
Zugegebenermaßen sind dies jetzt nur von uns angestellte Vermutungen aus einem Bauchgefühl heraus. Mit entsprechenden Tools und Analysen wird es aber auch mit Topics möglich sein, herauszufinden, welche (vulnerablen) Zielgruppen überproportional mit welchen Topic-Kombinationen korrespondieren.
Mit Blick auf die DSGVO-Konformität der neuen Methode bleibt wie schon bei FLoC die Frage, wer als Verantwortlicher und/oder Verarbeiter im Sinne der Verordnung gilt. Die Topics selbst mögen zwar keine personenbezogenen Daten darstellen, da von ihnen allein nicht auf Einzelpersonen geschlossen werden kann – zur Berechnung der Topics muss jedoch auch hier auf die Browserhistorie und damit auf personenbezogene Daten zurückgegriffen werden. Auch hier werden sich also wieder Fragen nach der Rechtsgrundlage der Verarbeitung, also nach Einwilligung oder berechtigtem Interesse stellen.
Selbst wenn wir davon ausgehen, dass Topics mit der DSGVO konform wäre und ein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden kann, dürfte dies nicht das Ende der Consent-Banner, wie wir sie heute kennen, bedeuten. Denn zur Abfrage der Topics werden Informationen aus den Browsern der Nutzer*innen, also ihren Endgeräten abgerufen, wofür laut § 25 Abs. 1 TTDSG die Einwilligung der Nutzer*innen benötigt wird. Anbieter von Consent-Management-Plattformen sowie Beratungsagenturen im Consent-Management dürften also aufatmen.
Google möchte in den kommenden Wochen erste Tests für Entwickler*innen starten. Es bleibt spannend, ob, wann und wie die Zukunft von Topics in der EU aussehen wird. Wie oben dargelegt, stellen sich auch bei Topics einige Fragen zur Konformität mit dem europäischen Datenschutzrecht, insbesondere mit der DSGVO.
Daneben ist fraglich, wie die Taxonomie sich in Zukunft entwickeln wird. Welche neuen Topics kommen hinzu, welche müssen gehen? Wer hat die Entscheidungshoheit darüber? Und inwiefern werden in der Weiterentwicklung die genannten Probleme rund um missbräuchliches Targeting berücksichtigt?
Außerdem ist heute noch unklar, wie gut und verlässlich die Topic-Zuordnung funktionieren wird, wenn sie allein auf dem Hostnamen aufbauen soll. Was wird gegebenenfalls noch am System verändert, um schlechte oder falsche Topic-Zuordnungen zu vermeiden? Schließlich wäre beispielsweise www.spiegel.de am besten in einem der News-Topics aufgehoben und nicht aufgrund seines Hostnamens im Topic „Home & Interior Decor“. Werden Website-Betreiber gegebenenfalls selbst Topics für ihre Seiten vergeben können?
Schließlich bleibt abzuwarten, wie sich die verschiedenen Stakeholder, also Browser-Anbieter, Website-Betreiber, Werbetreibende, Werbeanbieter, Datenschutzorganisationen und nicht zuletzt auch die Internetnutzer*innen gegenüber Topics positionieren werden. Sollte der Widerstand ähnlich groß ausfallen wie bei FLoC, bliebe abzuwarten, ob wir 2023 tatsächlich die Third-Party-Cookies aus Chrome verabschieden oder Google doch noch eine weitere neue Herangehensweise für die Post-Cookie-Ära finden muss. Es bleibt spannend!
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